Elena Pecenová und Vojtěch Novák
10. – 23.2.24

DE

Eröffnung: Samstag, 10.2., 19 Uhr

Finissage: Freitag, 23.2., 16 – 19 Uhr
Mit Führung des Künstler:innen Duos im Dunkeln um 18 Uhr
Eintritt frei. Führung in englischer Sprache.

Ungefähr alle dreißig Jahre wiederholt sich ein Ereignis, das gar nichts besonders
Aufregendes an sich hat und dennoch ein Entsetzen verbreitet, für das keine befriedigende Rechtfertigung ausreicht:

Cobblestone walks on its own 〄
Elena Pecenová und Vojtěch Novák

Die Ausstellung „Cobblestone walks on its own“ geht dem Versuch nach, die Idee einzufangen, bevor sie sich materialisiert. Sie folgt damit einer Vorstellung im Roman des tschechisch-deutschen Autors Gustav Meyer, bekannt unter dem Pseudonym Gustav Meyrink und ist stellenweise direkt inspiriert von den Roman begleitenden Lithografien des tschechisch-deutschen Autors Hugo Steiner-Prag.

Wenn ich die Straße entlanglaufe,
suche ich mir manchmal eine Stelle aus, an der ich verweile,
und tue so, als würde ich dort etwas sehen,
und nach einer Weile fange ich wirklich an etwas wahrzunehmen
– ich ertappe einen zufällig vorbei­kommen­den Passanten,
der, ohne mein vorheriges Handeln bemerkt zu haben,
auf dieselbe Stelle schaut.

Das Thema einer kollek­tiven Idee, welche mit jedem neuen Bewusst­sein immer stärker wird, schien, im Hinblick auf die Ver­schwörungs­theorie über die Nicht­existenz der Stadt, für Bielefeld passend zu sein.

Um die Karten sozusagen neu zu mischen, haben Elena Pecenová und Vojtěch Novák zwei Kopien von Begrenzungs­steinen, deren Originale als Phantom­steine in den Straßen der Prager Altstadt stehen, in den Aus­stel­lungs­räumen der Artists Unlimited Galerie installiert.

Das tschechische Künstler:innen-Duo Pecenová und Novák beschreibt den Hinter­grund zu der Arbeit an einem Beispiel so:

„Der Begrenzungs­stein an der Ecke Lily und Golden Lane soll eigentlich nicht wie eine Art Gesicht aussehen, das uns anstarrt, während wir die Straße entlanggehen – seine Augen, oder besser gesagt, die Vertiefungen, sind das Resultat des Zer­reißens eines aus Eisen geschmie­deten Rings. Die Tatsache, dass wir darin ein Gesicht wahrnehmen, ist auf ein psycholo­gisches Phänomen namens Pareidolie zurück­zuführen, bei welchem vage oder undeutlich wahr­genommene Reize mit Hilfe der eigenen Vorstellungs­kraft zu bedeu­tungs­vollen Bildern geformt werden. Das Erkennen von Gesichtern, Tieren und anderen Objekten in Formen von Wolken oder Holz­strukturen ist ein typisches Beispiel dafür.“

Wie lange bin ich in der Lage
an einem Abbild eines Gesichts auf der Oberfläche fest zu halten,
bevor es sich wieder auflöst?
Ich stelle mir einen Punkt vor, an dem die Materie
zum Leben erwacht und sich ausdehnt.

Wo ist die Grenze zwischen Form und formloser Materie? Was belebt das Unbelebte?

In einem alten Prager Mythos, auf den Gustav Meyrink in seinem Buch indirekt Bezug nimmt, wird Lehm durch ein Objekt namens Shem wiederbelebt, das in der tschechischen Folklore als Kugel dargestellt wird.
Dies ist jedoch eine irre­führende Dar­stellung, denn der Shem ist keine Kugel, sondern ein NAME, ein WORT. Deshalb spielen in den Zeich­nungen die Kobolde als Geheimnis­träger mit der Illusion, dass das Shem eine Murmel sei.

Fühle die Buchstaben, aber lese sie nicht
mit den Augen – beauftrage einen Übersetzer,
der in dir selbst wortlos sein wird,
der die Bewegung der Materie ins Bewusst­sein übersetzt.

Wer ist derjenige, der in uns im Moment des Einschlafens erwacht, wenn wir über den Abgrund von Schlaf und Wachsein balancieren? Er ist es, der uns die Fähigkeit verleiht, zu ahnen, dass wir mit dem Gesicht voran auf den Bürgersteig fallen.

Aufenthalt und Ausstellung mit freundlicher Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Über die Künstler:innen

Vojtěch Novák (*1992) ist ein multi­diszipli­närer arbeitender Künstler, freier Kurator und Kunst­forscher in der Schweizer SARN, der sein Studium an der Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag abgeschlossen hat. Er studierte an der Bezalel Academy in Jerusalem, an der Akademie der Bildenden Künste in Prag und an der ZHdK in Zürich. Teilnahme an Ausstellungs­formaten wie der documenta 14 in Kassel, der Manifesta 11 in Zürich, der OFF-Biennale Budapest, der Alytus Biennale und ISKRA DELTA: The 34th Ljubljana Biennale Of Graphic Arts. Er präsentierte seine Werke auf internationaler Ebene, unter anderem in der Castlefield Gallery in Manchester, bei A.C. Kupper Modern und Perla-Mode in Zürich, in der 41 Cooper Gallery und NO MOON in New York, im Open Source in Brooklyn, im Fotopub Project Space in Ljubljana, im Kunstpodium T in Tilburg, in der Willem Twee kunstruimte in ’s-Hertogenbosch, im DOX Center for Contemporary Art, im Museum of Decorative Arts und in der National Gallery in Prag oder im FUTURA Center for Contemporary Art. Er war Stipendiat am Egon Schiele Centrum in Český Krumlov, am SCHIESSLHAUS AiR in Kollnburg, am C. Rockefeller Center for the contemporary Arts in Dresden und am ISCP in New York. Seine Performances wurden in der Gessnerallee in Zürich, im Vorbrenner 15 in Innsbruck, in der Galerie Polansky in Brünn oder im Rahmen der Prager Quadriennale gezeigt.

Elena Pecenová (*1994) beschäftigt sich in ihrer Praxis mit Performance­kunst und zeitge­nös­sischer Literatur. Gegenwärtig entwickelt sie Kunst­romane. Sie hat zwei Gedicht­bände veröffentlicht:
„Jako bych očima fotografovala stále ty stejné snímky“ (NAVU, 2022) und „Na cestu zpět si zapínám skryté titulky“ (Adolescent, 2023).
Sie ist Mitglied des PGS-Kollektivs. Bis 2021 war sie Chefredakteurin der digitalen Kurator:innen-Plattform für zeitgenössische Poesie Psí víno, die sie bis heute kuratiert. Sie war eine der Finalist:innen des František-Halas-Literaturpreises und erhielt einen Preis beim internationalen Literatur­wettbewerb Básne SK/CZ 2019.
Ihre Performances waren unter anderem auf der Prager Quadriennale, dem FACT FESTIVAL in Budapest oder dem Next Wave Festival im Komedie Theater in Prag zu sehen. Ihre Videos wurden auf dem Marienbad Film Festival und in der Screensaver Gallery in New York präsentiert. Sie nahm an Kunstresidenzen im Zentrum für zeitgenössische darstellende Kunst Katapult in Berlin, im C. Rockefeller Center for the contemporary Arts in Dresden und im Bakelit Multi Art Center in Budapest teil.

Öffnungszeiten 11. – 23.2.:
freitags 16 – 19 Uhr
samstags und sonntags 14 – 17 Uhr

Artists Unlimited Galerie
Eingang Innenhof, August-Schroeder-Str. 1
33602 Bielefeld

EN

Opening: Saturday, 10.2., 7 pm

Finissage: Friday, 23.2., 4 – 7 pm
Including guided tour of the artist duo in the dark at 6 pm
Admission free. Guided tour in English.

Every thirty years or so,
there is a recurring incident,
that is not particularly exciting,
nonetheless, it still causes an unfortunate
suspicion, that has no satisfactory justification:

Cobblestone walks on its own 〄
Elena Pecenová and Vojtěch Novák

The exhibition Cobblestone walks on its own attempts to capture the idea before it becomes materialized. Therefore, follows a notion of the novel by the Czech-German author Gustav Meyer, known under the pseudonym Gustav Meyrink, and is in places directly inspired by the novel’s visual accompaniment created by the Czech-German author Hugo Steiner-Prag.

When I’m walking down the street,
I sometimes choose a spot to linger over,
pretending to see something there,
and yet, after a while, I start to perceive
something – I undergo a random passerby,
without noticing my previous actions,
looks at the same spot.

The theme of a collective idea that becomes more and more apparent with every new consciousness seemed to be suitable for Bielefeld, as there is a conspiracy theory about the city’s inexistence. To shuffle the cards, we brought two cornerstone copies into the gallery, whose originals appear in the streets of Prague’s old town as phantom stones.
The cornerstone on the corner of Lily and Golden Street wasn’t supposed to resemble a kind of face staring at us as we walk down the street – its eyes, or rather hollows, are the result of an iron-wrought ring being ripped apart. The fact that we interpret it in this way is due to a psychological phenomenon called pareidolia, in which perceived vague or indistinct stimuli are shaped into meaningful images with the help of one’s imagination. Recognition of faces, animals, and other objects in the shape of clouds or wood textures is a typical example.

For how long I am able to hold
an imprint of a face on the matter,
before my image of it disintegrates?
I imagine a point at which matter
comes to life and expands.

Where is the line between form and formless matter? What animates the inanimate?
In an old Prague myth, which is indirectly referred to in Gustav Meyrink’s book, clay is revived by an object called a shem, which is depicted in Czech folklore as a ball.
However, this is a misleading depiction, since, the shem is not a ball, but a NAME, a WORD. That is why in the drawings the imps, as bearers of secrets, play with the illusion of the shem as a marble.

Feel the letters, but don’t read them
with your eyes – hire a translator,
within yourself who will be wordless,
translating into consciousness the movement of matter.

Who is the one who awakens in us in the moment of falling asleep, when we balance over the abyss of sleep and wakefulness? It is the one who makes us gain the ability to anticipate falling face-first onto the pavement.

Residency and exhibition are supported by the Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds.

About the artists

Vojtěch Novák(*1992) is a multidisciplinary artist, independent curator, and arts-based researcher in Swiss SARN – who graduated from the Academy of Arts, Architecture, and Design in Prague. Studied at the Bezalel Academy in Jerusalem, the Academy of Fine Arts in Prague, and ZHdK in Zürich. Participated in exhibition formats such as documenta 14 in Kassel, Manifesta 11 in Zürich, OFF-Biennale Budapest, and Alytus Biennial and ISKRA DELTA: The 34th Ljubljana Biennale Of Graphic Arts. Presented his works on an international level, including such venues as Castlefield Gallery in Manchester, A.C. Kupper Modern and Perla-Mode in Zürich, 41 Cooper Gallery and NO MOON in New York, Brooklyn’s Open Source, Fotopub Project Space in Ljubljana, Kunstpodium T in Tilburg, Willem Twee kunstruimte in ’s-Hertogenbosch, DOX Center for Contemporary Art, Museum of Decorative Arts and National Gallery in Prague, or at FUTURA Center for Contemporary Art. He was a resident at Egon Schiele Centrum in Český Krumlov, SCHIESSLHAUS AiR in Kollnburg, C. Rockefeller Center for the contemporary Arts in Dresden and at ISCP in New York. His performances were shown in Zürich’s Gessnerallee, Vorbrenner 15 in Innsbruck, Polansky Gallery in Brno, or as part of Prague Quadriennale. He is a finalist of the Jan Naaijkens Prize. Initiated the collective educational framework ABV – Studio without pedagogue, and curatorial platform PGS focusing on offsite exhibitions. At City Surfer Office Gallery in Prague, he was a member of the curatorial team. Presently, he is curating exhibitions at GAMPA in Pardubice.

Elena Pecenová (*1994) focuses on performance art and contemporary literature in her praxis. Presently, she develops the art novels. She has published two books of poetry Jako bych očima fotografovala stále ty stejné snímky (NAVU, 2022) and Na cestu zpět si zapínám skryté titulky (Adolescent, 2023). She is a member of the PGS collective. Until 2021, she used to be the editor-in-chief of the contemporary poetry digital curator platform Psí víno where she curates to this day. She was one of the finalists of the František Halas Literary Award and she received a prize in the international literary competition Básne SK/CZ 2019. Her performances were included on many shows, including the Prague Quadrennial, FACT FESTIVAL in Budapest or Next Wave Festival at the Komedie Theater in Prague. Her videos were presented at the Marienbad Film Festival and Screensaver Gallery in New York. She participated at art residences in the contemporary performing art center Katapult in Berlin, C. Rockefeller Center for the contemporary Arts, Dresden and Bakelit Multi Art Center in Budapest.

Opening Hours 11. – 23.2.:
fridays 4 – 7 pm
saturdays and sundays 2 – 5 pm

Artists Unlimited Galerie
August-Schroeder-Str. 1
33602 Bielefeld